Berlin, den 15.05.2025
Stellungnahme
zu aktuellen finanziellen und schulorganisatorischen Neuerungen
Sehr geehrte Frau Senatorin, liebe Frau Günther-Wünsch,
im laufenden Schuljahr 2024/25 gab und gibt es viele Neuerungen auf der finanziellen und schulorganisatorischen Ebene. Es handelt sich dabei um
- die Neuorganisation der finanziellen Mittel, insbesondere das Schaffen eines Grundbudgets und die Umgestaltung der Finanzierung der Schülerfahrten,
- die Personalberechnung durch eine neue Zumessungsrichtlinie,
- die Änderungen im schulrechtlichen Bereich, insbesondere die Sonderpädagogikverordnung, die AV schulische Inklusionsassistenz und die Neuregelungen zum Übergang in die Sekundarstufe (insbesondere der Probeunterricht).
Viele dieser Änderungen haben wir uns als Schulleitungsverband gewünscht, und wir freuen uns, dass es hier Veränderungen gegeben hat und geben wird:
- die Zusammenlegung von vorher getrennt zu verwaltenden Finanzbudgets (Verfügungsfond, Personalkostenbudget und zukünftig auch Lehr- und Lernmittel),
- die Transparenz und Vereinheitlichung bei der personellen Ausstattung der Schulen,
- die Ausweitung des Aufgabengebiets der ehemaligen Schulhelfer:innen.
Wir möchten Sie jedoch mit diesem Schreiben auf einige Punkte aufmerksam zu machen, die die Mitglieder des Verbands der Berliner Grundschulleitungen (VBGL), zu denen auch die Leitungen von Förderzentren zählen, in den letzten Monaten sehr belastet haben. Besonders das Umsetzungsverfahren und die Kommunikation waren in allen drei genannten Bereichen phasenweise immer wieder sehr herausfordernd. Besonders müssen wir dabei die Themen Transparenz und Synchronisierung in den verschiedenen Bezirken ansprechen.
1. Schulbudgets
Die Senatsverwaltung behält in diesem Kalenderjahr 12% (im letzten Jahr 9%) und das Schulamt je nach Bezirk bis zu 30% des Schulbudget ein, wobei die Bezirke die Information sehr unterschiedlich ausgeben
Ohne Ankündigung gab es keine Übertragung der angesparten Mittel mehr aus 2024 im PKB, einzelnen Schulen gingen so bis zu 10.000 € verloren, die sie schon für das zweite Schulhalbjahr fest verplant hatten.
Der Betrag im Personalkostenbudget für das erste Halbjahr war geringer als 50% des zu erwartenden Betrags. Dies führt dazu, dass sich die unter Schulen bestehenden Verbünde auflösten, weil jede Schule ihren geringen Betrag sicherheitshalber einbehalten wollte – PKBVerbünde wird es kaum noch geben!
Gerade Gymnasien decken über PKB-Mittel die teilweise kostenintensiven Kursfahrten ab und können daher keine Gelder mehr an Grundschulen eines Verbundes übertragen.
Das PKB-Budget von 3% war für Grundschulen schon immer zu gering, um ausfallenden Unterricht zu kompensieren. Bei kleineren Schulen führen schon wenige länger erkrankte Lehrkräfte im laufenden Schuljahr zu Finanzierungsnöten und zu nicht verhinderbaren Unterrichtsausfällen.
Die Auszahlung bzw. Mitteilung der Lehr- und Lernmittel erfolgte in den Bezirken sehr unterschiedlich, teilweise erst kurz vor den Osterferien – bis dahin gab es keine verlässliche Aussage über den zu erwartenden Betrag, in Neukölln z.B. erfährt man i.d.R. erst Ende Juni/Juli, welche Mittel zur Verfügung stehen, so dass eine Planung kaum stattfinden kann.
Die Informationen zum Schülerfahrtenbudget brachten sehr viel Unruhe in alle Schulen. Das zur Verfügung gestellte Budget für Schülerfahrten reicht nicht mehr, und die Schulen müssen den Verfügungsfonds oder das PKB zusätzlich damit belasten, so dass dann an anderer Stelle Mittel fehlen.
2. VV Zumessung
Immer wieder wird gesagt, dass die Verbände bei der Neugestaltung der VV Zumessung beteiligt gewesen wären. Richtig ist, dass uns die Grundsätze (die zukünftige Dreiteilung bei der Personalverteilung) mitgeteilt wurden. Details erfuhren wir jedoch erst wie alle anderen Schulleitungen Anfang Februar, und zwar zu Beginn der Winterferien. Die Veröffentlichung von Neuerungen zu diesem Zeitpunkt (also in den Schulferien) wirkte auf viele Schulleitungen so, als ob eine erste Diskussion verhindert werden sollte.
Die Förderzentren erhalten wegen der geringen Schülerzahl nur das Minimum an Stunden für die Schulorganisation. Die meisten Förderzentren haben jedoch sehr viel Personal, das oft mit einem größeren Gymnasium vergleichbar ist. Dieser Tatsache sollte im Bereich „Schulorganisation“ Rechnung getragen werden.
Bei der Implementierung hörte man immer wieder bezirksübergreifend und in allen Sitzungen folgenden Satz: „Die sogenannten Klassenleitungsstunden gab es nie und als Schulleitung könnte man überlegen, diese Stunden zukünftig anders zu nutzen.“ In der Theorie mag das stimmen, in der Praxis löst dieser Satz jedoch enormen Widerstand aus, auch vermittelt er zusätzlich Realitätsferne: Klassenleitungen leisten zumindest in der Grundschule und im Förderzentrum eine herausragende zusätzliche Arbeit. Neben Aufgaben, die alle Klassenleitungen jeder Schulform haben (Zeugnisse schreiben, Schülerfahrten und Unterrichtsgänge), führen Klassenleitungen an Grundschulen intensive Elterngespräche und sind für die Auswertungsgespräche verantwortlich. In Bezug auf die Diagnose, Feststellung, Beantragung und Umsetzung von besonderen Bedarfen von Schüler:innen kommt ihnen eine besondere Bedeutung zukommt. Der zeitliche Aufwand bei der Erstellung von Förderplänen und Förderberichten, Vorbereitung und Durchführung von Schulhilfekonferenzen, Zuarbeiten für SIBUZ, KJPD und Gesprächen mit Eltern, Jugendamt, freien Trägern etc. übersteigt in der Regel bei weitem den Aufwand, den Kolleg:innen an den weiterführenden Schulen haben.
Wer ernsthaft überlegt, diesen Lehrer:innen keine Ermäßigungsstunde für diese Aufgaben zu geben, hat wenig Ahnung vom zeitlichen Aufwand einer Klassenleitungstätigkeit.
Auch die Vorgabe der Umwandlung von 3% der LK-Stunden hat seit der Veröffentlichung sehr viel Unruhe gebracht – auch weil viele Fragen zu Beginn offenblieben und auch jetzt noch nicht alles geklärt scheint: Warum muss nicht jede Schule umwandeln, sondern nur der Bezirk insgesamt 3% ausweisen? Aus welchen Stunden darf umgewandelt werden (nicht aus der Stundentafel oder vielleicht doch)? Warum wird pauschal eine ganze VZE umgewandelt? Warum können nicht auch halbe Stellen umgewandelt werden (z.B. für Verwaltungsleitungen)? Was passiert, wenn es keine Bewerbungen gibt, ist diese Stelle dann gebunden und kann so lange nicht anders verwendet werden? Mit diesen Fragen im Hinterkopf wirkt es so, als sei 3% der Stellen gestrichen worden und die ganze Idee der Umwandlung ein Sparmodell.
Warum erhalten die grundständigen Gymnasien eine LES-Grundausstattung? Die herausfordernden Kinder landen aus unserer Erfahrung eher nicht in den 5. Klassen eines Gymnasiums.
Die Kürzungen bei der Begleitung der LAA wird der verantwortungsvollen Aufgabe nicht gerecht. Viele Schulen haben bei der Aufnahme der LAA mit der bisherigen Berechnung geplant. Für sie führt die neue Berechnung zu einer bedeutsamen Reduzierung. Hier sollte es zumindest eine Übergangszeit geben.
Bei Veränderungen der Schultypisierung wünschen wir uns eine Übergangszeit von mindestens einem Jahr, damit sich Schulen darauf einstellen können (insbesondere bei Bonus-Ausstattung etc.).
Die Zuweisung von nur noch 80% der Stunden für Kinder mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten der Förderstufen 2 und 3 wird den besonderen schulorganisatorischen Herausforderungen nicht gerecht.
3. Förderprognose und Probeunterricht
Vor und nach den Winterferien erhielten einige Bezirke täglich neue Emails mit Informationen zum Verfahren. Manche widersprachen sich und mussten dann zusätzlich überprüft werden. Schule ist natürlich ein agiles System, viele Dinge werden erst im Tun sichtbar und müssen dann geklärt werden. Das Berliner Schulwesen endet aber nicht bei den Schulleitungen. Wir mussten das Team der Klassenleitungen der 6. Klassen, die Verwaltungsleitung und das Sekretariat immer wieder neu instruieren. Dieses Verfahren erschöpfte alle am Ende eines sehr herausfordernden Halbjahres.
4. Gesetzliche Regelungen, insbesondere VO Sonderpädagogik
Es gibt in Berlin eine wachsende Zahl von herausfordernden Schüler:innen, die mit den gegebenen personellen und räumlichen Bedingungen in einer allgemeinbildendenden Schule über einen längeren Zeitraum nicht beschulbar sind. Schulleitungen müssen hier in Ermangelung handhabbarer rechtlicher Regelungen individuelle Lösungen zum Schutz der Schulgemeinschaft finden.
Das Verfahren für das Feststellungsverfahren Autismus dauert mittlerweile ein Jahr. Es gibt gerade bei diesem Förderschwerpunkt ein sehr ressourcenintensives Verfahren. Ähnliches gilt für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Beide Verfahren sind davon abhängig, dass die Eltern medizinische Diagnosen einholen. Wenn Eltern nicht mit der Schule zusammenarbeiten, müsste es eine Ausnahme geben, damit Schulen trotzdem an die notwendigen personellen Ressourcen kommen.
Das System der Regelschule ist bezüglich der Inklusion im Bereich GE und Autismus an der Belastungsgrenze angekommen. Die prognostizierten, rasch und enorm steigenden Zahlen von Kindern mit diesen Förderbedarfen verlangen ein rasches Handeln. Vielerorts sind die Kolleg:innen überlastet und verabschieden sich in Krankheit oder / und innere Emigration.
Das sonderpädagogische Feststellungsverfahren im Bereich emotionale und soziale Entwicklung für den Übergang stellt für die Grundschulen eine zusätzliche Belastung dar. Wir wünschen uns eine Grundausstattung wie für die Sekundarstufe für den Bereich emotionale und soziale Entwicklung für die 7. Jahrgangsstufe.
Der sonderpädagogische Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung beinhaltet mittlerweile eine sehr hohe Nachweispflicht von Seiten der Grundschulen, so dass er faktisch abgeschafft scheint. Das erscheint den Schulen wie auch den Eltern wie eine Ressourceneinsparung.
5. Außerdem
Schulen sind permanent gefordert, Konzepte zu schreiben. Wir wünschen uns als Schulleitungen vorgearbeitete Module und Vorlagen, die schnell an die einzelnen Schulen angepasst werden können, um die Kollegien zu entlasten.
Viele statistische Abfragen erscheinen aus Schulleitungssicht doppelt und unnötig, z.B. die Statistik zu den Fehlzeiten der Schüler:innen aus den 5. und 6. Klassen.
Die Steuerung der Laufbahnbewerbenden ist ungenügend. Es braucht eine zentrale und aktive Steuerung des Personals in die Randbezirke. Bewerber:innen sollten Präferenzen angeben dürfen, müssen sich dann letztlich aber in der Region bewerben, der sie bedarfsgerecht zugewiesen werden.
Wir hoffen, dass Sie unsere Ausführungen nachvollziehen können und dass Sie diese bei sich im Haus besprechen und berücksichtigen werden. Wir freuen uns auf einen Austausch mit Ihnen am kommenden Mittwoch, danach gerne auch regelmäßiger.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Witzke, Guido Richter, Christiane Bauer, Stefanie Winde Vorstand des Verbandes Berliner Grundschulleitungen (VBGL)